Heringsnetze in der Ostsee dieses Frühjahr fast leer

Schweden. In Schweden bahnt sich eine Krise an: Der Hering ist dieses Frühjahr rar – und wird nicht reichen, um daraus die üblichen Mengen Surströmming zu produzieren! Dass der Heringsbestand sinkt, ist allerdings kein ganz neues Phänomen. Eine potenzielle Ursache: Heringsfang im großen Stil, um daraus Fischmehl für die Lachszucht zu  produzieren.

Surströmming Dose

Für manche eine Delikatesse, für andere nicht: Surströmming. Foto Jonathan Winton/CC BY-ND 2.0

„So etwas habe ich noch nie erlebt. Es ist wie leergefegt“, sagt ein Surströmmings-Produzent aus der Nähe von Umeå zu SVT. Mehrere große Salzereien klagen über den Mangel an Hering. Das Schwedische, wie auch andere Ostseesprachen, leistet sich zwei Wörter für Hering: Sill ist der in der Nordsee und der südlichen Ostsee. Strömming ist der nördlich und östlich einer gedachten Linie Öland-Polen, der auch etwas anders aussieht. Was aktuell fehlt, ist „strömming“, der jetzt eingelegt werden sollte, damit er zur „surströmmingspremiär“ Ende August fertig gereift ist. Surströmming ist eine nordschwedische Tradition, auch wenn ihn aufgrund des Geruchs nicht alle lieben.

Warum fehlt der Ostseehering?

Warum fehlt der Hering? Manche Küstenfischer glauben, dass es einfach zu kalt war. Der Hering lebt normalerweise in der offenen Ostsee und geht nur im Frühjahr zum Laichen an die Küste. Andere zeigen mit dem Finger auf größere Trawler, die den Hering schon auf der offenen Ostsee abgreifen und in den vergangenen Jahren auch noch näher an die Küste gerückt sind.  Im Schärengarten von Stockholm sinkt der Heringsbestand für die Küstenfischer schon länger. Die zuständige schwedische Behörde will dort nun einige Maßnahmen durchführen, um den Bestand zu sichern, unter anderem durch eine neue Grenze für Trawler und einen besonderen Schutz der Laichgebiete. Hering lässt sich schließlich nicht nur als Surströmming genießen, und vor allem spielt er eine wichtige Rolle im Ökosystem der Ostsee.

Modell und Realität?

Ostsee

Ostsee ohne Hering?

SLU Aqua,  die für die Meeresressourcen zuständige Abteilung der schwedischen Landwirtschaftsuniversität, bestätigt, dass die Fangmethode mit großen Trawlern zugenommen hat. Diese Heringe würden meist zu Fischmehl für Aquakulturen verarbeitet. Davon gibt es insbesondere an der norwegischen Küste viele – die Lachszucht.

SLU Aqua gehört auch zur Ostsee-Arbeitsgruppe von ICES (International Council for the Exploration of the Sea), die der EU die Fischereiquoten empfiehlt. Die für Hering sollen auch 2022 wieder gesenkt werden. Der Bestand im Bottnischen Meerbusen war zuletzt nach einem neuen Modell berechnet worden, und er sollte deutlich größer sein als bisher angenommen. Deshalb gab es  2021 eine Quote, die um 81 Prozent höher lag als im Vorjahr. Für 2022 wird nun eine Senkung um fünf Prozent empfohlen. Im Bottnischen Meerbusen gebe es genug Hering, aber die Fische seien klein, so eine Vertreterin von SLU Aqua zu SVT. Die aktuelle EU-Direktive berücksichtige nicht die Größenzusammensetzung eines Bestandes. Die Fischer an der Norrlandsküste klagten allerdings nicht über die Größe – ihre Netze waren einfach fast leer.

Schon früher Warnungen

Kritik an den Beurteilungsgrundlagen von ICES und der EU gibt es schon länger: ICES gehe davon aus, dass der Bestand in der Ostsee gleichmäßig verteilt sei. Das sei aber nicht so, so beispielsweise ein Fischexperte schon im vergangenen Jahr zu Expressen. Und wenn große Trawler Jahr für Jahr dort große Mengen herausholten, wo sich die Heringe sammelten, habe das Folgen.

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