Grönland. Landwirtschaft auf Grönland? Das gibt es tatsächlich, und zwar schon seit Jahrhunderten. Die UNESCO hat die Zeugnisse dieser sehr speziellen Kultur vergangenes Jahr als „Kujataa auf Grönland: eine nordische und Inuit-Agrarlandschaft am Rand der Eisdecke“ auf die Welterbeliste aufgenommen.
Das offizielle UNESCO-Zertifikat ist gerade erst auf Grönland angekommen und wurde nun von der grönländischen Kultusministerin Doris Jensen an die Bürgermeisterin der Kommune Kujalleq, Kiista Isaksen, übergeben. In dieser südlichsten aller grönländischen Kommunen liegen die fünf Gebiete, die nun gemeinsam als Welterbe ausgezeichnet wurden: Qassiarsuk, Igaliku, Sissarluttoq, Tasikuluulik und Qaqortukulooq-Upernaviarsuk.
Dort finden sich die Hinterlassenschaften der nordeuropäischen Siedler, die sich mehr als 500 Jahre dort hielten und Ackerbau und Viehzucht betrieben, soweit dies das Land eben zuließ. Ihnen folgten nach einer Zeit der Brache Inuit, die die Tradition auf ihre Weise fortführten. „Die landwirtschaftlichen Traditionen dieser beiden Kulturen belegen ihre Anpassungsfähigkeit an die arktischen Klimabedingungen und zeugen von einem tiefen Verständnis ihrer Umgebung, welche es ihnen ermöglichte, fruchtbare Landflächen für den Anbau von Getreide und Futtermitteln zu finden und geeignete Weideflächen zu identifizieren“, heißt es auf der deutschen UNESCO-Seite zur Begründung für die Auswahl.
Die Auswanderer betreiben Landwirtschaft
Die Geschichte beginnt Ende des 10. Jahrhunderts mit einem sehr bekannten Namen: Erik dem Roten. Wie die gleichnamige Saga ausführt, war er wegen Mordes aus Island ausgewiesen worden und plante die Ansiedlung in diesem Land, das er entdeckt und „Grünes Land“ getauft hatte, weil er meinte, dass eine solch verlockende Bezeichnung diese Destination für mögliche Begleiter attraktiver machen würde. Im Original heißt es: „Þat sumar fór Eiríkr at byggja land þat, er hann hafði fundit ok hann kallaði Grænland, því at hann kvað menn þat mjök mundu fýsa þangat, ef landit héti vel.“
Auch wenn der Name offenbar mehr ein PR-Coup war, hatte Erik doch einen Ort mit vergleichsweise günstigem Binnenklima entdeckt. Reste seines Hofes Brattahlið sind im heutigen Qassiarsuk zu finden. Im heutigen Igaliku befinden sich die Reste des Bischofssitzes von Garðar, bei Qaqortoq die Ruine der Kirche von Hvalsey. Rund 500 Jahre hielten sich die Siedler mit bis zu 3000 Einwohnern an Grönlands Westküste, bis Mitte des 15. Jahrhunderts niemand mehr dort anzutreffen war.
Was geschah mit den Siedlern?
Erklärungsansätze dafür gibt es viele. Der amerikanische Wissenschaftler Jared Diamond nimmt die grönländischen Siedler in seinem Buch Kollaps als Beispiel für eine Gesellschaft, die untergeht, weil sie sich nicht anpasst. Sie hätten angesichts des kälter werdenden Klimas auf ihre alte Ackerbaukultur beharrt und es ruiniert, anstatt wie die Inuit Robben zu jagen, und seien deshalb verhungert.
Neuere Forschungen widersprechen dieser Theorie. So waren die Siedler sich offenbar keineswegs zu fein, um Meerestiere zu jagen und zu essen, sie trieben Handel mit den Stoßzähnen der Walrosse und waren aber gleichzeitig sehr geschickt darin, ihr Land nachhaltig zu bewirtschaften. Neue Theorien wie im Spiegel oder in Science vorgestellt, gehen davon aus, dass die „Grönländer“ nach Island oder Europa ging, als die Handelsbeziehungen schlechter wurden.
Die Inuit übernehmen die Ruinen
Die späteren Inuit-Siedler ab dem 18. Jahrhundert nutzten teilweise die alten Anlagen und schufen ihre eigene Anbaukultur als Ergänzung zur Jagd. Bis heute wird dort vor allem Schafzucht betrieben. Doch auch die Möglichkeiten des Ackerbaus sind im Zuge des Klimawandels gestiegen: Während das Eis schmilzt, wachsen in Südgrönland Kartoffeln und Erdbeeren. Wissenschaftler testen, welche Pflanzen inzwischen dort erfolgreich sind und zur Ernährung der Bevölkerung beitragen könnten.
Der UNESCO-Titel wiederum soll noch mehr Besucher nach Südgrönland locken. Erste Reiseveranstalter haben bereits spezielle Touren zu den UNESCO-Stätten im Angebot.
Hier ein Video von VisitGreenland zu Ilulissat und Kujataa.