Die neuen Rebellen aus Alta: Pasientfokus

Alta (Norwegen). Wie erhält eine Gruppe Aktivisten, die nur ein lokales Thema hat, gleich ein Mandat im Storting? Indem das lokale Thema so groß ist, dass es viele Stimmen bringt – und indem man sich in einem Wahlbezirk befindet, in dem verhältnismäßig wenige Stimmen für einen Sitz reichen. So geschah es in der Finnmark, wo die Liste „Pasientfokus“ fast 13 Prozent der Stimmen bekam. Darüber berichtete NRK.

Nordlyskatedralen Alta

 Nordlyskatedrale in Alta

Seit Jahren kämpfen die Einwohner von Alta (insgesamt rund 20 800) für eine bessere Krankenversorgung vor Ort. Es gibt zwar eine Klinik, doch dieser fehlen wichtige Abteilungen wie eine Geburtsstation, Geriatrie oder eine Notaufnahme. Das nächste große Krankenhaus ist in Hammerfest, 140 Kilometer entfernt. Dorthin müssen auch die Frauen zur Entbindung fahren. Noch weiter als für die Menschen aus Alta ist es für die aus Kautokeino, 280 Kilometer. Auch diese würden von einem erweiterten Krankenhaus in Alta profitieren, ihr Weg würde auf die Hälfte schrumpfen.

Für Alta ist das Thema so groß, dass die erst im Frühjahr gegründete Liste Pasientfokus 40,5 Prozent der abgegebenen Stimmen bekam. Initiatorin Irene Ojala ist durch ihren langjährigen Kampf für das erweiterte Krankenhaus bekannt und wird nun als Abgeordnete in den Storting einziehen. Groß war das Thema auch noch in Kautokeino mit 28, 6 Prozent. In diesen beiden Kommunen erhielt Pasientfokus die meisten Stimmen überhaupt unter den politischen Parteien.

Massive Unzufriedenheit mit der Zentralisierung

Krankenflugzeug, Norwegen

Dass dieses Thema so groß werden konnte, zeigt die massive Unzufriedenheit der Bürger in ländlichen Gebieten  mit der Zentralisierung des hochspezialisierten Gesundheitswesens – das in so dünn besiedelten Regionen wie der Finnmark manchmal einfach zu weit weg ist. Ein Beispiel dafür waren auch die Proteste während der „Krankenfliegerkrise“ in Nordnorwegen, die sich schließlich im Ergebnis der Kommunalwahlen 2019 zeigten. Diese Erscheinung beschränkt sich nicht allein auf Norwegen. Bei den Regionalwahlen 2018 im ebenfalls dünn besiedelten schwedischen Norrbotten wurde die Liste der Sjukvårdsparti (Krankenversorgungspartei) stärkste Kraft. Bei der jüngsten Wahl in Norwegen stand Senterpartiet allgemein für eine bessere Beachtung der ländlichen Gebiete. In Alta und Kautokeino hatten sie sich allerdings nicht im gleichen Maße für das erweiterte Krankenhaus eingesetzt wie Pasientfokus und verloren dort Stimmen an die neue Liste.

Ungleichheiten im Wahlsystem

Diskussionen gab es allerdings darum, dass Pasientfokus mit Irene Ojala vergleichsweise wenige Stimmen (4900) benötigte, um ein Storting -Platz zu erreichen. Lan Marie Berg von Miljøpartiet De Grønne in Oslo benötigte nach den Berechnungen von NRK 36 991 Stimmen für ihr Mandat. Hier ist die vorhandene Struktur günstig für Nordnorwegen. Die Finnmark war vor der Fusion mit Troms Norwegens größtes Fylke in puncto Fläche und das kleinste in puncto Bevölkerung (etwa 75 000). Die Finnmark ist aber immer noch ein eigener Wahlkreis und schickt 5 Abgeordnete in den Storting (von insgesamt 169).  Die wenigen Bewohner sind also rechnerisch etwas überrepräsentiert. Irene Ojala will diese Chance wahrnehmen, um das Thema Krankenversorgung in der Finnmark voranzutreiben, das für die anderen einfach nicht wichtig genug ist, um überhaupt Gehör zu finden.

Früherer Artikel zum Thema:

Dieser Beitrag wurde unter Gesellschaft, Norwegen, Politik veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert