Örebro (Schweden). Der Amoklauf an der Erwachsenenbildungsstätte Campus Risbergska ist nun eine Woche her. Dort erschoss (mutmaßlich) der 35-jährige Rickard Andersson zehn Menschen und sich selbst, es ist die schlimmste Einzeltat bisher in Schweden. Gestern wurde im ganzen Land eine Schweigeminute für die Opfer eingelegt. Gerätselt wird noch über das Motiv. Die meisten Opfer waren ausländischer Herkunft. War es ein rassistischer Anschlag oder handelte sich es sich um Zufallsopfer?

Gestern gab es in Schweden eine Schweigeminute für die Opfer von Örebro.
Schon am Mittwochnachmittag hatten mehrere schwedische Medien Name und Bild des mutmaßlichen Täters veröffentlicht, was inzwischen auch von der Polizei bestätigt wurde. Es ist ein Name, den er selbst gewählt hat, ursprünglich hieß er Jonas Rickard Simon. Neben ihm fand die Polizei drei Gewehre, außerdem noch eins in seiner Wohnung – alle legal. Vor der Tat hatte er Munition und Rauchgranaten eingekauft. Rauch hatte der Polizei auch zunächst den Einsatz erschwert. Laut Polizeiuntersuchung hat der Täter mehr als 50 Schüsse abgegeben.
Bekannt ist, dass er aus Örebro stammt und sehr zurückgezogen lebte. Seine Schulleistungen in der neunten Klasse waren mangelhaft. Danach besuchte er laut TV4 eine Spezialklasse für Schüler mit Asperger und hochfunktionellem Autismus. Später hatte er selbst versucht, auf dem Campus Risbergska Schulergebnisse nachzuholen. Laut Polizei war er dort 2013 und von 2019-2021 eingeschrieben, aber ohne Ergebnisse. Er hatte kein Erwerbseinkommen und hinterließ, soweit bisher bekannt, nur wenige digitale Spuren im Internet.
Die Polizei geht bisher davon aus, dass es sich um Zufallssopfer handelt
Über die Frage des „Warum“ wird in Schweden ausgiebig spekuliert. Die einzige Verbindung zwischen dem mutmaßlichen Täter und den Opfern ist, dass letztere sich an der Schule aufhielten, in die er selbst früher zeitweise gegangen war. Die Opfer waren sieben Frauen und drei Männer unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft. Es sei richtig, dass viele der Opfer ausländischer Herkunft seien, so der stellvertretende regionale Polizeichef Niclas Hallgren gegenüber SVT, hält dies aber aufgrund der vorhandenen Spuren nicht für den gemeinsamen Faktor: „Was wir sehen können, ist, dass eine große Menge Schüsse abgegeben wurde, viele trafen die Opfer aus der Entfernung und in unterschiedlichen Situationen.“ Deshalb könne man nicht sehen, dass es sich um eine Auswahl mit einer Gemeinsamkeit handele.
Wird rassistischer Terror nicht erkannt?
Andere sind trotzdem misstrauisch. Aftonbladet-Autorin Zina Al-Dewany verweist auf die Umstände: Ein weißer schwedischer Mann, der sich als Ziel eine Einrichtung aussucht, an der vor allem viele Ausländer Schwedisch lernen und sich weiterbilden. Und sie zitiert den schwedischen Linkspolitiker Ali Esbati, der auf Utøya dem Massaker des Neonazis Anders Behring Breivik entkam: „Schweden hat heute als Gesellschaft ein strukturelles Problem damit, rassistischen Terror zu erkennen“. Rassifizierte würden bei jedem Problem als Gruppe gesehen, während Taten von „Mehrheitsschweden“ individualisiert und psychologisiert würden.
Ein Beispiel für rassistischen Terror in Schweden in der Vergangenheit sind die Taten von John Ausonius, besser bekannt als „Lasermannen“, der 1991 und 1992 nacheinander insgesamt zehn Menschen ausländischer Herkunft verletzte und einen tötete und lange nicht gefasst wurde.
Aussage als Beweis – oder doch nicht?
TV4 versuchte auf andere Weise, zu Erkenntnissen zu kommen. Es existiert ein Film, aufgenommen von jemandem, der sich in einer Toilette verbarrikadiert hatte. Darauf hört man, wie vor der Tür jemand etwas Unverständliches brüllt – möglicherweise der Täter. TV4 ließ diesen Clip von seinen Tontechnikern analysieren. Diese kamen zu dem Ergebnis, da rufe jemand „Ni ska bort från Europa“ (Ihr sollt weg aus Europa). Der Medienpodcast „Medierna“ des schwedischen Radios findet dies jedoch nicht ausreichend beweiskräftig. Der Ruf könne auch etwas ganz anderes heißen, und man sehe nicht, wer rufe.
Die Ermittlungen der Polizei sind noch lange nicht abgeschlossen.
Würdigung der Opfer
Die Opfer, Lehrer und Schüler am Campus Risbergska, waren zwischen 28 und 68 Jahre alt. SVT hat eine Seite mit Porträts zusammengestellt, soweit die Angehörigen dazu ihre Zustimmung gegeben haben: eine Mathematiklehrerin aus Kurdistan, ein Syrer in der Ausbildung zur Pflegefachkraft, eine Mutter von vier Kindern aus Eritrea, ebenfalls in der Ausbildung zur Pflegefachkraft und weitere.
Früherer Artikel zum Thema:Elf Tote bei Amoklauf im Bildungszentrum – inklusive Täter