Spionagevorwurf: Kirkenes zeigt Solidarität mit Frode Berg

Kirkenes.  Seit gut drei Wochen befindet sich der Norweger Frode Berg aus Kirkenes in Untersuchungshaft in Moskau – Verdacht auf Spionage. Der Fall stellt die eigenständige Russlandpolitik auf die Probe, die die nordnorwegische Kommune seit Jahren pflegt. In Kirkenes hat sich nun ein Unterstützerkreis gebildet, der Frode Berg nach Hause bringen will. Darüber berichteten der Barents Observer und NRK.

Kirkenes

Blick auf Kirkenes.

„Es ist kein gutes Zeichen, wenn ein so positiver und angesehener Brückenbauer wie Frode festgenommen wird“, zitiert der Barents Observer Rune Rafaelsen, den Bürgermeister der Kommune Sør-Varanger, zu der die 4000-Einwohner-Stadt Kirkenes gehört. „Die Leute sind verwirrt und beunruhigt, denn Frode ist ein Mann, der sich für die norwegisch-russische Zusammenarbeit einsetzte.“ Mit einem Fackelzug, an dem laut Barents Observer etwa 450 Menschen teilnahmen, zeigten die Bürger von Kirkenes am Sonnabend ihre Solidarität mit Frode Berg. „Wir glauben nicht, dass er ein Spion ist“, so Initiator Øystein Hansen zu NRK.

Wenig offizielle Informationen

Karte Kirkenes

Kirkenes zwischen den Grenzen. Karte mit Hilfe von stepmap

Die offiziellen Informationen zum Fall sind nach wie vor spärlich. Die Pressesprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, bestätigte auf Anfrage in ihrer Pressekonferenz vergangenen Donnerstag die Festnahme Bergs wegen des Verdachts auf Spionage. Ihm seien alle vom Gesetz vorgesehenen Rechte eingeräumt worden, darunter „die Hilfe des Anwalts, Übersetzers, Konsularische Treffen und medizinische Versorgung.“ Sacharowa sagte, sie glaube nicht, das dies ein globaler Schlag für die Beziehungen zwischen Norwegen und Russland sei. Man arbeite in verschiedenen Bereichen zusammen. „So etwas passiert, es ist unangenehm“. Die Gesetzgebung des Landes sehe angemessene Maßnahmen vor.

Norwegische Medien haben Bergs Anwälte und diverse Experten interviewt sowie einen Vertreter der norwegischen Botschaft in Moskau. Hochrangige Politiker haben sich bisher nicht zu dem Fall geäußert.

Barents-Stadt Kirkenes

Für Kirkenes und ganz Sør-Varanger ist die norwegisch-russische Zusammenarbeit nicht Theorie, sondern tägliche Praxis. Die Kommune teilt schließlich eine 196 Kilometer lange Grenze mit dem russischen Verwaltungsbezirk Murmansk.

In Kirkenes ist das internationale Sekretariat der 1993 gegründeten Barentskooperation angesiedelt. Auch das norwegische Barents-Sekretariat befindet sich dort.  Rune Rafaelsen leitete es zwölf Jahre lang, bevor er Bürgermeister von Sør-Varanger wurde.

Laden Kirkenes

Die Geschäfte in Kirkenes sind auf Kunden aus Russland
eingerichtet.

Seit 2011 dürfen Bewohner aus beiden Seiten der Grenzregion mit einem speziellen Stempel ohne Visum ein- und ausreisen. Die Geschäftsleute in Kirkenes haben sich auf die russische Kundschaft eingestellt, in der Stadt sind auch zusätzliche  Schilder  in kyrillisch angebracht.

Am Grenzfluss, dem Pasvikelva, betreiben sowohl Norwegen und als auch Russland  Wasserkraftwerke. Und im örtlichen Museum steht eine in Russland restaurierte Iljuschin aus dem zweiten Weltkrieg, die den roten Stern und einen Rentierkopf trägt. Es waren die Russen, die Kirkenes von den Nazis befreit haben – das ist in der Region nicht vergessen.

Auf die praktische, persönliche Zusammenarbeit auf regionaler Ebene setzte man in Kirkenes auch, als das Klima zwischen Oslo und Moskau wieder frostiger wurde. Die Zeitschrift brand eins widmete diesem Ansatz unter dem Schwerpunkt Mut eine Reportage mit dem Titel „Die Eisbrecher„, in der Rafaelsen seinen Ansatz erklärt, der anderswo Kopfschütteln auslöst.

Viele Fragen zu Bergs Moskau-Reise

Die Zusammenarbeit mit den russischen Kollegen gehörte auch für den Grenzinspektor Frode Berg zum Alltag. Nach seiner Pensionierung 2014 engagierte er sich ehrenamtlich, unter anderem im kulturellen Bereich, für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Seine Moskau-Reise, bei der er nun festgenommen wurde, wirft allerdings Fragen auf. Laut Aftenposten war sie für zwei Tage geplant. Von seinem russischen Anwalt Ilja Nowikow stammt die Information, dass er dort 3000 Euro in bar an jemanden übergeben sollte. Auftraggeber sollen zwei Norweger gewesen sein, von denen er einem kannte und ihm offenbar vertraute. Die Anwälte wissen offenbar auch, um wen es sich handelt.  Eine Quelle der russischen Internetseite Rosbalt bringt Berg auch in Zusammenhang mit vertraulichen Dokumenten über die russische Marine und den schon früher wegen Landesverrat verhafteten Aleksej Zhitnjuk.

Berg nur benutzt?

Für Bergs Anwalt Nowikow ist klar, dass der russische Geheimdienst nicht zufällig zuschlug. Er äußerte in den norwegischen Medien die Theorie, Berg könne benutzt worden sein – dafür spreche auch, dass dieser bei der Festnahme vollkommen unvorbereitet war. Wer ein Interesse daran haben könnte, den norwegischen Pensionär zu diskreditieren und das spezielle nordostnorwegische Modell einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gleich mit – darüber kann bisher nur spekuliert werden.

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