Schweden. Der neue Premierminister Schwedens nach der Regierungskrise ist der alte. Parlamentsprecher Andreas Norlén hatte Stefan Löfvén vorgeschlagen. Um in Schweden Regierungschef zu werden, reicht es, wenn nicht mehr als die Hälfte aller 349 Abgeordneten gegen ihn sind. Deshalb ist Löfvén gewählt, auch wenn es nur 116 für ihn gestimmt haben und 173 gegen ihn. Die 60 Enthaltungen zählen hier wie eine Stimme für ihn.
Es wird für Löfvén aber nun noch komplizierter, politische Ziele umzusetzen, denn seine Mehrheit ist im Zuge der Krise zerfallen. Die ehemalige Stützpartei Die Liberalen richten sich neu aus und hoffen auf eine bürgerlich-konservative Regierung nach der Wahl 2022. Sie haben das Misstrauensvotum zum Anlass genommen, das „Januarabkommen“ mit Sozialdemokraten, Miljöpartiet und Zentrum zu verlassen. Löfvéns verbliebene Unterstützer – dazu gehört auch die Linkspartei – sind sich in essenziellen Fragen überhaupt nicht einig (Uferschutz, Waldpolitik, Gewinne in Wohlfahrtsunternehmen). Erschwerend dazu kommt, dass die Zentrumspartei mit der Linkspartei nicht einmal reden will. Der Haushalt 2022 im Herbst wird deshalb eine große Hürde sein. Löfvén drohte, zurückzutreten, wenn er ihn nicht durchbekommt, was so kurz vor den regulären (fest terminierten) Wahlen vermutlich niemand will. Diese finden im Herbst 2022 statt.
Löfvén Unterstützer:
Sozialdemokraten (100 Sitze) und Umweltpartei (Miljöpartiet, 16 Sitze) stellen erneut die Minderheitsregierung. Um die volle Stimmenzahl zu sichern, musste Landwirtschaftsministerin Jennie Nilsson sogar zurücktreten und ihren Sitz im Parlament wieder einnehmen, denn ihr Ersatz ist langzeit-krankgeschrieben.
Die Zentrumspartei (Centerpartiet, 31 Sitze) hat sich gegen politische Zugeständnisse enthalten, kündigte aber gleichzeitig an, in eine „konstruktive Opposition“ zu gehen und einen eigenen Haushalt vorzulegen. Parteichefin Annie Lööf strebt eine Mitte-Konstellation ohne Schwedendemokraten und Linkspartei nach der Wahl 2022 an. Bisher gibt es keine andere Partei, die diese Vision teilt.
Die Linkspartei (Vänsterpartiet, 27 Sitze) hat sich ebenfalls enthalten. Sie ist einerseits Gewinnerin der Krise, weil sie die umstrittene Mietreform stoppen und Glaubwürdigkeit gewinnen konnte. Ob dies bis zur Wahl anhält und eine „linkere“ Regierungsmehrheit ermöglicht, ist unklar.
Das Zünglein an der Waage war das ehemalige Linkspartei-Mitglied Amina Kakabaveh, die nun als parteilose Abgeordnete im Riksdag sitzt. Sie enthielt sich ebenfalls nach Gesprächen vorab. Es war vermutlich das erste Mal überhaupt, dass eine „politisch Wilde“, wie es in Schweden heißt, über Einfluss verhandeln konnte.
Die Opposition:
Die Liberalen (19 Sitze) hatten sich im Misstrauensvotum noch enthalten und stimmten jetzt gegen Löfvén. Ein Mitglied brach jedoch die Parteidisziplin. Die Abgeordnete ist gegen die neue Parteilinie, die auch Kooperation mit den Schwedendemokraten nicht ausschließt.
Eine ehemalige Liberale, heute parteilos, stimmte ebenfalls gegen Löfvén.
Die Moderaten (70 Sitze) hoffen auf eine bürgerlich-konservative Mehrheit nach 2022. Parteichef Ulf Kristersson war es allerdings nicht gelungen, schon jetzt eine Mehrheit für sich zu finden, da die Zentrumspartei in einer Konstellation mit den Schwedendemokraten nicht mitmachen wollte.
Die Christdemokraten (Kristdemokraterna, 22 Sitze) setzen ebenfalls auf eine bürgerlich-konservative Mehrheit nach 2022 – wenn es sein muss, unterstützt von den Schwedendemokraten.
Die Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna, 62 Sitze) hoffen darauf, ab 2022 endlich Einfluss nehmen zu können. Bis 2018 war es noch tabu, mit dieser rechtsnationalen Partei zusammenzuarbeiten. Das hat sich geändert. Parteichef Jimmie Åkesson hat auch mehrfach klargemacht, dass er keine bürgerliche Regierung ohne Gegenleistungen unterstützen wird.
Schweden hat zwar nun wieder eine Regierung, die aussieht wie die alte. Es ist aber fraglich, welche Initiativen überhaupt noch eine Mehrheit bekommen. Im Prinzip hat der Wahlkampf für 2022 begonnen.
Wie es zur Regierungskrise kam: