Premiere: Tanker ohne Eisklasse durch die Nordostpassage

Russland. In diesem Monat gab es eine Premiere auf der Nordostpassage: Erstmals ließ Russland dort zwei Öltanker ohne Eisklasse passieren. Darüber berichteten High North News und Financial Times. Es scheint gut ausgegangen zu sein. Aber für Tanker ohne Eisverstärkung ist die Passage, bei der man auch im Sommer mit Eis rechnen muss, ein erhöhtes Risiko – und damit auch für die Umwelt.

Seewege der Arktis

Seewege der Arktis. Karte Maximilian Dörrbecker, CC BY 2,5

Russland erlaubt seit 2020 grundsätzlich, die Nordostpassage im Spätsommer/Herbst mit Schiffen ohne jede Eisklasse zu passieren – in eisfreiem Wasser ohne Begleitung, ansonsten mit Eisbrecher. September/Oktober sind normalerweise die Monate, in denen das Eis am weitesten zurückgegangen ist. Es gab Jahre, da war die Nordostpassage, international Northern Sea Route genannt, auch tatsächlich auffallend eisfrei, zum Beispiel im Herbst 2020.

Das ist jedoch nicht immer so, und nicht überall. Der Blick auf eine Übersichtskarte des russischen Forschungsinstitutes für Arktis und Antarktis, AARI, zeigt, wie das arktische Eis stellenweise bis nah an die russische Küste reicht. Die aktuelleren, detaillierten Eiskarten des AARI auf der Website der Northern Sea Route (NSR)-Verwaltung durch Rosatom zeigen, dass es zwar viel freies Wasser gibt, aber eben auch einzelne Passagen, wo noch Eis vorkommen kann. Wind kann das Eis auch schnell treiben lassen.

Mit Rohöl nach China

Der Aframax-Tanker Leonid Losa, über den High North News berichtet, hatte laut der Statusmeldung auf der NSR-Website inzwischen das Meiste hinter sich und wird morgen Nachmittag an Kap Deschnjew erwartet, der östlichen Grenze der Northern Sea Route. Sein Ziel ist Ningbo in China, er kann bis zu einer Million Barrel Rohöl transportieren. FT erwähnt außerdem den Tanker NS Bravo derselben Größe mit dem Ziel Rizhao in China. Dieser war vor der Leonid Losa gestartet und hat die überwachte Passage bereits verlassen. Marine Traffic meldet eine Position vor Kamtschatka. 

Neuausrichtung als Folge der Sanktionen

Es ist schon länger das Ziel russischer Politik, diesen nördlichen Seeweg stärker zu nutzen. Zumindest in dieser Hinsicht kommt es sehr gelegen, dass die Eismenge dort tendenziell abnimmt. Die Neuausrichtung Russlands auf den asiatischen Markt als Folge der europäischen Sanktionen aufgrund des Ukraine-Krieges dürfte ein weiterer Faktor sein, warum in dieser Saison mehr Öltanker als zuvor die Nordostpassage passiert haben – die meisten mit Eisklasse, besagte zwei aber ohne. Der Weg ist kürzer als die Route rund um Europa und den Suez-Kanal und spart damit auch Treibstoff. Allerdings ist das Risiko deutlich höher – für den Tanker selbst und für die Umwelt. Trotz Klimawandel waren auch in den vergangenen Jahren Schiffe mit Eisklasse im Eis stecken geblieben und mussten auf einen Eisbrecher warten. Man möchte sich eigentlich nicht vorstellen, was das Eis mit einem ungeschützten Tanker-Rumpf machen würde.

Frühere Artikel zum Thema:

Dieser Beitrag wurde unter Arktis, Meer, Öl und Gas, Russland, Verkehr veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert