Schweden. Die Wahl ist nun fast drei Monate her – und noch immer hat Schweden keine neue Regierung. Eigentlich wollte Parlamentssprecher Andreas Norlén gestern eine Abstimmung über Amtsinhaber Stefan Löfven als neuen Mininsterpräsidenten formell ankündigen. Doch Löfven hat um mehr Vorbereitungszeit gebeten.
Bereits bei der Sitzverteilung nach der Wahl war klar gewesen, dass es keine Regierung gibt, ohne dass jemand sein Wahlversprechen brechen muss. Jegliche Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten war bis dahin ein Tabu gewesen. Diese erhielten 17,6 Prozent. Der Konservative Ulf Kristersson (Moderaterna, 19,8 Prozent) war schließlich bereit gewesen, sich von ihnen wählen und eventuell zukünftig auch unterstützen zu lassen. Die Kristdemokraterna unter Ebba Busch Thor (6,4 Prozent) wären mitgezogen. Seine bürgerlichen Partner Centerpartiet (8,6 Prozent) und Liberalerna (5,5 Prozent) hielten aber an ihrem Wahlversprechen fest und ließen Kristersson scheitern.
Annie Lööf, Chefin der Centerpartiet , hatte immer wieder für eine blocküberschreitende Lösung geworben. Nach Kristerssons Niederlage durfte sie ihre Varianten dafür ausloten. Nach einer Woche gab sie auf. Das größte Hindernis war offenbar, dass sowohl die Sozialdemokraten (28,4 Prozent) als auch die Moderaten (19,8 Prozent) jeweils nur den eigenen Kandidaten als Ministerpräsidenten akzeptieren wollten.
Keine Regierung ohne gebrochene Wahlversprechen
Nun ist der eigentlich schon abgewählte Sozialdemokrat Stefan Löfven wieder am Zuge. Er lobte, die Verhandlungen von Annie Lööf hätten neue Möglichkeiten erschlossen, und wirbt um die beiden liberalen Parteien. Auf die Alternative „Neuwahlen“ würden die meisten gerne verzichten, außer den Schwedendemokraten, die dabei wahrscheinlich am meisten gewinnen würden. Jetzt haben allerdings Lööf und ihre Partei ebenso wie die Liberalerna ein Problem gegenüber Mitgliedern und Wählern. Sie waren angetreten, Löfven abzulösen, nicht, ihn erneut an die Macht zu bringen. Beide Parteien stellten Bedingungen, die von der schwedischen Presse als ziemlich hart bewertet werden, vor allem die von Lööf. Unter anderem geht es um niedrigere Einstiegslöhne, eine Lockerung des Kündigungsschutzes und eine freiere Mietpreisgestaltung (de facto die Möglichkeit höherer Mieten).
So war der ursprüngliche Zeitplan: Norlén hätte die Abstimmung über Löfven am Montag ankündigen und am Mittwoch durchführen wollen. Nun hat Löfven um mehr Zeit gebeten. Man feilt offenbar noch an Kompromissen. Zu weit kann er den beiden aus dem bürgerlichen Block auch nicht entgegen kommen, ohne die eigenen Verbündeten, Umweltpartei (4,3 Prozent) und Linkspartei (7,9 Prozent), gegen sich aufzubringen – und die eigenen Mitglieder und Wähler. Frühestens Mittwoch soll der nächste Termin bekannt gegeben werden.
Parlamentssprecher Andreas Norlén darf oder muss insgesamt vier Mal über den Posten des Ministerpräsidenten abstimmen lassen. Scheitert auch der letzte, gibt es Neuwahlen.
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