Schweden: Keine Zugansagen mehr – keine Alternativen bei Sehschwäche

Schweden. Reisender, kommst du auf einen schwedischen Bahnhof, so warte nicht darauf, dass dein Zug ausgerufen wird. Ab sofort werden nur noch Änderungen angesagt. Dagegen protestierte nun der Verband der Sehgeschädigten. Denn es gibt bisher keine verlässlich funktionierenden Alternativen. Update: Der Protest hatte Wirkung: Trafikverket verschiebt die Veränderung auf Januar, wenn die App fertig ist.

Nachtzug Luleå C

Bahnhof Luleå, jetzt ohne Zugansagen.

Trafikverket begründet die Änderung in der Pressemitteilung so: Man möchte, dass es an allen 481 Bahnhöfen des Landes einheitlich geregelt ist. Eine Lautsprecherdurchsage soll zukünftig immer signalisieren, dass es sich um eine Änderung handelt. Es waren noch 86 Bahnhöfe, die standardmäßig Abfahrten und Gleise ansagten, darunter Stockholm und Göteborg. Gegenüber SVT sagte der Pressesprecher außerdem, es würden jetzt sehr viele Züge fahren und man wolle eine Kakophonie von Durchsagen verhindern.

App nicht fertig, Sprechgerät nicht verlässlich

Für die Sehgeschädigten, die die Anzeigentafeln nicht lesen können, soll es eine App geben. Diese ist aber noch nicht fertig und wird voraussichtlich erst im Januar eingeführt, also erst nach dem Weihnachtsverkehr. Außerdem soll es in den Bahnhöfen „pratorer“ („Sprecher“) geben, also Geräte, die die gewünschten Informationen vorlesen. Das Problem: Es gibt sie nicht überall, und sie funktionieren auch nicht unbedingt, wie sie sollen. Als SVT Värmland in Kristinehamn das Gerät testete, gab es jedenfalls keine Informationen über Abfahrtszeiten und Gleise. Die Geräte muss man auch erst mal finden – was für Sehgeschädigte in großen Bahnhöfen wie Göteborg oder Stockholm ein größeres Problem sein könnte als eine mögliche Kakophonie. Und in Luleå oder Abisko Turiststation, zwei weitere Bahnhöfe aus der Liste, sind konkurrierende Durchsagen bisher ohnehin kein Problem gewesen.

Fahrkartenschalter sind schon abgeschafft

Kann man nicht einfach am Fahrkartenschalter fragen? Die letzten existierenden Fahrkartenschalter in Schweden, in Stockholm, Göteborg und Malmö, wurden im Frühjahr geschlossen. Immerhin gibt es dort noch Fahrkartenautomaten und mit etwas Glück auch Servicepersonal, was anderswo im Land schon nicht mehr der Fall ist. Da immer mehr ihre Tickets im Internet oder per Smartphone kaufen, schrumpft der Service vor Ort.

Letzte Möglichkeit Begleitservice

Wer sehr schlecht sieht und sichergehen will, dass er im Bahnhof Hilfe bekommt, kann einen „ledsagare“ (Begleiter) bestellen. Der Service ist kostenlos und steht auch für andere Arten von körperlicher Einschränkung zur Verfügung. Man bestellt ihn mindestens 24 Stunden vorher telefonisch bei der Zug- oder Busgesellschaft, bei der man die Fahrkarten gekauft hat, diese organisiert dann, dass eine Person beim Ein- oder Umsteigen hilft. Das Angebot gilt nicht für alle Bahnhöfe, aber für viele. Alle Infos dazu gibt es auf der Seite stationsledsagning.se (auch englisch), inklusive den Kontaktnummern zu den jeweiligen Verkehrsgesellschaften.

Update 17 Uhr: Trafikverket hat nun auf den umfassenden Protest reagiert und verschiebt die Änderung. Bis Januar wird es in den 86 Bahnhöfen, darunter auch Stockholm und Göteborg, weiter umfassende Ansagen geben. Dann soll die App fertig sein.

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2 Antworten zu Schweden: Keine Zugansagen mehr – keine Alternativen bei Sehschwäche

  1. Walther sagt:

    Schon gruselig, dass nach dem Personal nun auch die Ansagen von den Bahnhöfen verschwinden sollen. Trafikverket hat es sich wegen des Protests nun anders überlegt und will die Abschaffung verschieben, bis die genannte App fertig ist, schreibt SVT: https://www.svt.se/nyheter/lokalt/varmland/trafikverket-backar-om-installda-utropen

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