Bodø (Norwegen). Wenn Sie nächstes Jahr im Flugzeug auf Røst oder in Svolvær landen, dann wird Ihr Pilot möglicherweise schon von einem Lotsen geleitet, der gar nicht vor Ort ist. 15 kleinere norwegische Flugplätze sollen von Bodø aus ferngesteuert werden. Gestern landete auf Røst das erste Flugzeug mit „Fernberatung“. Das meldete Avinor.
Die Kameratechnik macht es möglich: Die Fluglotsen im neuen „Tower“ von Bodø sehen auf Bildschirmen, was die Kollegen vor Ort durchs Fenster sehen. Wie die Kollegen vor Ort haben sie die notwendigen Wetterdaten zur Verfügung und alles weitere, was das Landen heute sicher und wetterunabhängig macht. Mit der Fernsteuerung will die norwegische Flughafengesellschaft Avinor 39 bis 40 Prozent der Kosten sparen, indem das Personal in Bodø konzentriert und besser ausgelastet wird. Gleichzeitig könne so der Betrieb der kleinen Flughäfen gesichert werden. Das neue Zentrum in Bodø ist noch im Bau. Beim gestrigen Widerøe-Flug von Bodø nach Røst wurde die Technik erstmals testweise angewendet, im Tower von Røst saßen aber noch Menschen und verfolgten alles mit. Die letzte Genehmigung der Luftfahrtbehörde steht noch aus.
Im kommenden Jahr soll das Zentrum fertig sein und die Umstellung beginnen. Folgende Flughäfen sollen künftig ferngesteuert lotsen: Røst, Vardø, Hasvik, Berlevåg, Mehamn, Røros, Rørvik, Namsos, Svolvær, Sogndal, Molde, Førde, Bodø und Lakselv. Der 15. steht noch nicht fest. Die Technik liefern Kongsberg Defence & Aerospace und Indra.
Ersetzen Kameras die Ortskenntnis?
Nicht alle Fluglotsen sind über diese Entwicklung begeistert. Wollen sie ihren Job behalten, müssen sie nun umziehen. Da sich das Projekt einige Jahre verzögerte, hängt die Entscheidung darüber schon länger über ihren Köpfen. Zudem zweifeln einige an der Sicherheit: Verloren gehe das Spezialwissen, das eine Person vor Ort genau über diese Region habe. NRK brachte das Beispiel eines Kleinflugzeugs, dem über dem Svartisen-Gletscher der Motor ausfiel. Der erfahrene Fluglotse vom Flughafen Røssvoll bei Mo i Rana ließ ihn an einer geeigneten Stelle notlanden. Das Flugzeug hatte einige Schäden, der Pilot nicht.
In der Kommune Mehamn machte man sich außerdem Sorgen, dass der Ort bei schlechtem Wette noch isolierter werde als bisher, da Strom und Telefonverbindung instabil seien. Laut Avinor bekommt der Flughafen jedoch eine eigene, sichere Verbindung. Küstenorte wie Mehamn sind im Winter oft landseitig abgeschnitten, wenn Pässe wegen Lawinengefahr oder anderer Wetterprobleme gesperrt werden müssen. Deshalb ist auch die Möglichkeit eines Krankentransportes durch die Luft so wichtig.
Ferngesteuerte Flughäfen auch in Schweden – und Deutschland
Die ersten, die diese technischen Möglichkeiten nutzten, waren allerdings die Schweden: Von einem Kontrollzentrum in Sundsvall wird seit 2015 auch der Flughafen in Örnsköldsvik mit bedient. Hier kommt die Technik von Saab. Geplant ist dies auch für Kiruna, Åre Östersund, Umeå und Malmö. Diese sollen von Stockholm aus bedient werden. Die Umsetzung dauert allerdings ebenfalls länger als geplant. Die Situation hat bereits dazu geführt, dass in Kiruna Fluglotsen fehlen, weil niemand mehr an einem Arbeitsplatz anfangen will, dessen Tage gezählt sind.
Die Nachfrage nach solchen Systemen ist nicht auf kleine, abgelegene Flugplätze beschränkt: Seit Ende 2018 wird beispielsweise der Flughafen Saarbrücken von Leipzig aus ferngesteuert.
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