Schweden: Staatsunternehmen zum Bau von Atomkraftwerken?

Schweden. Wie stellt man es an, wenn man nach 40 oder 50 Jahren plötzlich wieder neue Atomreaktoren im Land bauen lassen will? Die aktuelle schwedische Regierung versucht das umzusetzen, was einige deutsche Politiker nach der Wahl auch gerne machen würden. Es hat sich allerdings bereits gezeigt, dass kein Energieunternehmen das Risiko ohne massive staatliche Unterstützung übernehmen will. Und nun hat der Atomkraft-Koordinator der schwedischen Regierung sogar ein vom Staat zumindest mitbegründetes Atomkraft-Finanzierungsunternehmen vorgeschlagen.

Atomkraftwerk Oskarshamn, von dem nur noch Reaktor 3 in Betrieb ist. Über Uniper ist aktuell auch Deutschland daran beteiligt. Foto Daniel Kiehlgren, CC BY-SA 3.0

Die aktuelle schwedische Regierung war mit dem Versprechen angetreten, für mehr Atomkraft zu sorgen. Nicht nur einen Reaktor, sondern mindestens zwei bis 2035 und 2045 insgesamt 10 000 MW an neu installierter Atomenergie. Die schwedische Regierung bewirbt dies als Förderung fossilfreien Stroms für die Elektrifizierung zum Schutz des Klimas. Mit diesen Leistungszielen vor Augen schlägt Atomkraft-Koordinator Carl Berglöf nun ein Modell vor, bei dem sich die Kompetenz für solche Prozesse akkumulieren und spätere Projekte davon profitieren sollen: ein zumindest teilweise staatliches Atomkraft-Finanzierungsunternehmen. Es soll sich nicht um ein Unternehmen handeln, das nachher selbst Energie verkauft und deshalb mit anderen in Konkurrenz steht, so wie es Vattenfall, Fortum und Uniper tun, die aktuell in Schweden Atomkraftwerke betreiben. Die Lerngewinne eines Projekts sollen danach nicht innerhalb eines Unternehmens verschwinden.

Finanzierungsmodell nur mit staatlicher Hilfe

Dass es ohne den Staat nicht gehen wird, zeigte auch das Konzept zur Finanzierung der neuen Reaktoren, das im Juni von einem anderen Beauftragten, Mats Dillén, vorgelegt wurde: Diese kam zu dem Schluss, dass Vorleistungen des Staates von rund 300 Milliarden SEK notwendig sind, außerdem müsste es für Atomstrom eine Preisgarantie über 40 Jahre geben. Über diese Konzept wird voraussichtlich im Frühjahr abgestimmt.

Auffällig an beiden Vorschlägen ist, dass der Staat eine entscheidende Rolle spielen soll – obwohl dies eigentlich nicht den wirtschaftspolitischen Auffassungen der Regierungsparteien entspricht.

Weitere Hürden vor dem Bau

Neben der Finanzierung und dem Kompetenzerwerb gibt es noch weitere Hürden vor dem ersten Spatenstich:

Standort: Als Standorte böten sich die an, wo bereits Atomkraftwerke stehen, doch im Interview mit Dagens Nyheter nennt Koordinator Berglöf die Probleme: Neben Ringhals ist ein Naturschutzgebiet, bei Forsmark sei es zu eng im Stromnetz und bei Oskarshamn bremse der deutsche Staat. Mehrheitseigner von Oskarshamn 3 ist Uniper, im Dezember 2022 im Zuge der Energiekrise fast vollständig von Deutschland verstaatlicht.

Bauausführung: Es gibt nur noch fünf Unternehmen, die heute Atomkraftwerke bauen, und mit dreien davon hat die schwedische Regierung schon Gespräche geführt: EDF aus Frankreich, Westinghouse (USA) und KHNP (Südkorea). Die Südkoreaner haben sich  jedoch aus den Verhandlungen zurückgezogen, bestätigte Vattenfall im Dezember.  Projekte von Westinghouse und EDF sind für längere Bauzeiten und Kostenexplosionen berüchtigt, von Westinghouse steht auch eine Neun-Milliarden-Dollar-Ruine in South Carolina.  Rosatom (Russland) und CGN (China) kommen aus politischen Gründen nicht in Frage.

Kritik: „Atomkraft ist Möglichkeit, nicht Notwendigkeit“

Während Wirtschafts- und Energieministerin Ebba Busch alles tut, um den Atomkraft-Plan umzusetzen, versuchten jüngst neun Energieforscher von vier verschiedenen schwedischen Hochschulen, die Diskussion zurechtzurücken. In einem Debattenartikel in Dagens Nyheter schrieben sie, Atomkraft sei eine Möglichkeit, aber keine physikalische Notwendigkeit. Wichtig sei ein stabiles Gesamtsystem, zum dem alle Kraftarten beitrügen. Sie korrigierten einige der von Busch genannten Zahlen und verwiesen auch darauf, dass Schwedens AKW im teuren Winter 2022/23 nur 64 Prozent ihrer möglichen Leistung lieferten.

Früherer Artikel zum Thema:

Neue Atomkraft – wenn der Staat zahlt

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