Norwegen bekommt eine Drei-Parteien-Minderheitsregierung

Norwegen. Die Norweger hatten eine Woche vor Deutschland im vergangenen September gewählt – und nun kommen die Regierungsverhandlungen auch fast gleichzeitig ins Ziel. Die Ergebnisse fallen allerdings sehr unterschiedlich aus: Während Deutschland auf eine neue Große Koalition zusteuert, wird in Norwegen gerade eine bürgerliche Drei-Parteien-Minderheitsregierung unter Premierministerin Erna Solberg vorbereitet.

Erna Solberg

Erna Solberg. Foto Thomas Haugersveen/
Statsministerns Kontor

Erna Solberg (Høyre) führte auch die bisherige Minderheitsregierung aus Høyre (konservativ)  und Fremskrittspartiet (rechts-national).  Ein Abkommen mit den sozialliberalen Venstre (obwohl das wörtlich „links“ heißt, eine Partei der Mitte) und der Kristelig Folkeparti sicherte der Koalition in der vergangenen Legislaturperiode die Mehrheit. Dieser bürgerliche Block verlor zwar bei der Wahl im September (Ergebnisse hier) an Stimmen, behielt aber eine knappe Mehrheit. Die sozialdemokratische Arbeiderpartiet unter Jonas Gahr Støre ist zwar mit 49 Sitzen größte Fraktion, ihr fehlen jedoch ausreichend starke Koalitionspartner.

Ganz einfach war es auch für Erna Solberg nicht: Venstre unter der Vorsitzenden Trine Skei Grande will sich erstmals an der Regierung beteiligen. Seit Jahresbeginn ist zwischen den drei zukünftigen Koalitionären Høyre (45 Sitze), Fremskrittspartiet (27 Sitze) und Venstre (8 Sitze) ernsthaft über das künftige politische Programm verhandelt worden. Das bisherige Ergebnis soll nun am Wochenende innerhalb der Parteien vorgestellt werden.

Storting

Das norwegische Parlament, Storting, in Oslo.

Den drei Fraktionen fehlen aber noch fünf Stimmen zu einer Mehrheit im Storting, dem norwegischen Parlament. Ex-Kooperationspartner Kristelig Folkeparti ( 8 Sitze) hatte die Gespräche für eine weitere bürgerliche Zusammenarbeit aber bald verlassen: Die Partei hatte Wahlkampf für eine Regierung der Mitte ohne die rechte Fremskrittspartiet gemacht. Besonders deren Einwanderungs- und Integrationsministerin Sylvi Listhaug  ist für sie untragbar. Dafür reichte es jedoch nicht. An einer Regierung gemeinsam mit der Fremskrittspartiet möchte man sich weder beteiligen noch sich durch ein Abkommen an sie binden. Solberg soll aber weiter Premierministerin bleiben.

Eine Koalition mit der Fremskrittspartiet samt Listhaug ist auch für viele Venstre-Mitglieder zuviel: Nach der Ankündigung von Sondierungsgesprächen Anfang Dezember meldete NRK 60 Austritte – und 20 Eintritte.

Praxis einer Minderheitsregierung

Da das Abkommen mit den beiden kleinen Parteien seit der Wahl nicht mehr galt, durfte Erna Solberg schon in den vergangenen Monaten die Praxis einer Minderheitsregierung üben. Für den Haushalt sicherte sie sich die Unterstützung der  Kristelig Folkeparti , indem sie deren Forderung für eine „Lehrer-Norm“ (Mindestzahl nach Klassengröße) schluckte. Venstre verhandelte die finanzielle Unterstützung für ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons) zurück ins Budget – obwohl NATO-Mitglied Norwegen die Kampagne des Friedensnobelpreisträgers 2017 gar nicht unterschrieben hat.

In einem Fall wurden die Regierungsparteien Høyre und Fremskrittspartiet auch von einer Mehrheit im Parlament überstimmt: Da ging es um das weitere Vorgehen gegenüber alleinreisenden Flüchtlingen aus Afghanistan („Oktoberbarna„), die als Minderjährige 2015 gekommen waren und nun als Volljährige ausgewiesen werden sollten. Es wurde beschlossen, dass deren Anträge unter gewissen Kriterien noch einmal geprüft werden sollen.

Ölförderung vor den Lofoten?

Welchen Einfluss die Beteiligung der Venstre auf die Inhalte der zukünftigen Regierung haben wird, ist noch nicht bekannt. Für die Region im Norden dürfte vor allem die Frage interessant sein, ob künftig auch vor den Lofoten, Vesterålen und Senja nach Öl gesucht werden darf. Høyre und Fremskrittspartiet sind dafür, Venstre dagegen. Trine Skei Grande hatte erklärt, sie wolle die Regierung grüner machen – doch die Möglichkeiten einer 4,4-Prozent-Partei dürften begrenzt sein. Die Arbeiderpartiet kann sich zumindest südlich der Lofoten eine Ölförderung vorstellen – dafür gäbe es also schon eine Mehrheit im Storting.

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