Fall Guðmundur und Geirfinnur: Freispruch nach 44 Jahren

Island. Zwei Männer verschwanden 1974 auf Island spurlos. Sechs Menschen wurden deshalb wegen Mord oder in Zusammenhang damit verurteilt. Doch alle zogen ihre Geständnisse früher oder später zurück. Der Fall „Guðmundur und Geirfinnur“ erwies sich als Justizskandal. 44 Jahre später wurden nun fünf der Verurteilten freigesprochen – für zwei kam dies zu spät.

Der Dokumentarfilm Out of Thin Air zum Thema ist bei Netflix zu sehen. Foto Mosaic Films/Sagafilm

Der 18-jährige Guðmundur Einarsson verschwand in Hafnarfjörður nach einem geselligen Abend auf dem Weg nach Hause. Zehn Monate später kehrte der 32-jährige Geirfinnur Einarsson aus Keflavík nicht zurück. Die beiden sind nicht verwandt und kannten sich vermutlich auch nicht. Leichen oder andere Indizien zu ihrem Verbleib wurden nie gefunden.

Sævar Ciesielski und Erla Bolladóttir, die gemeinsam eine kleine Tochter hatten, waren eigentlich wegen einer Kleinigkeit festgenommen worden, die mit dem Verschwinden der Männer überhaupt nichts zu tun hatte. Wie daraus eine Mordanklage wurde, zeigte 2014 eine Dokumentation der BBC: „The Reykjavik Confessions“. Auch ein hochrangiger deutscher Polizist, der zuvor gegen RAF-Mitglieder ermittelt hatte, spielt dabei eine Rolle. Er wurde anfangs noch für erfolgreiche Arbeit gelobt. Tatsächlich genügte die Ermittlung keineswegs heutigen Standards: Lange Isolationshaft, Drogen, Schlafentzug und Scheinertränkungen gehörten dazu. Der Dokumentarfilm „Out of Thin Air“ von Dylan Howitt von 2017 widmet sich ebenfalls diesem Thema und ist bei Netflix zu sehen.

Die Verurteilten hatten sich lange vergeblich um eine Wiederaufnahme des Verfahrens und ihre Rehabilitation bemüht. Ihr Leben war zerstört. Die Recherche der isländischen Journalistin Helga Arnardóttir nach dem Tod Sævar Ciesielskis 2011, bei der sie auch die Tagebücher des schon 2009 verstorbenen Tryggvi Rúnar Leifsson erhielt, brachte den Fall wieder ins Gespräch. Der damalige Innenminister setzte eine Kommission zur Untersuchung des Falles ein, die dann auch offiziell feststellte, was zuvor bekannt geworden war. Gísli Guðjónsson, Fachmann für falsche Geständnisse und das „Memory Distrust Syndrom“, war dran beteiligt. Fünf der damaligen Angeklagten wurden nun nachträglich freigesprochen, war den beiden Verstorbenen nichts mehr nützte, aber deren Kindern. Erla Bolladóttir, damals wegen Meineids verurteilt, wurde in diesem Prozess nicht berücksichtigt und kämpft noch um Rehabilitierung.

Quellen zum Weiterlesen in diesem komplexen Fall:

Trailer zu Out of Thin Air:

Dieser Beitrag wurde unter Film, Gesellschaft, Island veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert