Die Geschichte beginnt auf Island im Jahr 2089, und nein, das ist kein Tippfehler. Pedro Gunnlaugur Garcias Familiensaga „Lungu“, deutscher Titel „Unser leuchtendes Leben“ beschränkt sich nicht auf die Vergangenheit, sondern erstreckt sich auch in die Zukunft. Es ist ein wilder Ritt zwischen Kontinenten, Gefühlen, Wissenschaft und Magie – mit einem riesigen Hahn und dem berühmt-berüchtigten Íslendingabók in nicht unwichtigen Nebenrollen. Die deutsche Übersetzung ist ab heute erhältlich.
Was würdest du tun, wenn dein geliebter Bruder durch eine genetisch bedingte Krankheit seiner Fähigkeiten beraubt wird und sich schließlich umbringt? Für Jóhanna, die Frau der Zukunft, ist die Sache klar: Sie sorgt dafür, dass ihre Tochter diese Gene nicht erhält, CRISPR macht es möglich. Das hat zu einem Zerwürfnis mit ihrem Vater Stefán geführt. Doch sie muss erst einmal sein Buch lesen, das Buch im Buch, um herauszufinden, welche Dämonen seiner Herkunft ihn eigentlich jagen. So richtig zufrieden ist sie nicht mit seinem Buch: „Wenn du schon die Geschichte deiner Familie aufschreibst, um sie zu bewahren und so weiter, warum fügst du dann etwas Fiktionales hinzu?“ fragt sie ihn. Wir, die Leser von außerhalb der Familie, genießen dagegen die Erzählfreude, die uns von unreifen Oliven als Hilfsmittel, um dem Militär zu entkommen, bis zu einem vom Blitzschlag gezeugten Riesenhahn treibt.
Aus der weiten Welt nach Island – für ein isländisches Projekt
Pedro Gunnlaugur Garcia erhielt für „Lungu“, wörtliche Übersetzung „Lungen“, 2022 den isländischen Literaturpreis. Es ist sein zweiter Roman. Der Autor äußerte selbst im Interview, dass er glaube, die Rezeption wäre anders gewesen, wenn er einen rein isländischen Namen hätte. Pedro Gunnlaugur Garcia hat einen portugiesischen Vater und verbrachte die ersten Lebensjahre in Portugal. Nach der Trennung zog die isländische Mutter mit den Kindern zurück nach Island. Wie auch immer: Stefáns und Jóhannas Vorfahren kommen jedenfalls auch nicht nur aus Island. Die ehrgeizige junge Kanadierin Sara, mit italienischen und vietnamesischen Vorfahren, reizt der Job, die Gene der Isländer zu entschlüsseln, so landet sie auf dieser Insel, auf der keiner ihrer Vorfahren jemals war. Einmal leistet sie sich gegenüber einer Kollegin den Fauxpas, das „Isländerbuch“, an dem sie arbeiten, scherzhaft als „encyclopedia of incest“ zu bezeichnen. Aber dann wird auch sie Teil dieser Datenbank, die die Genealogie der Isländer festhält.
Mehr als acht Generationen
„Unser leuchtendes Leben“ umfasst mehr als acht Generationen, die teils von globalen Ereignissen getrieben werden, teils an typisch menschlichen Herausforderungen wachsen oder scheitern. Pedro Gunnlaugur Garcia schildert seine Protagonisten ohne Romantik, aber mit einem tiefen Verständnis für die menschliche Natur, für die Launenhaftigkeit des Schicksals und mit einem unterhaltsamen Hauch Magie.
„Unser leuchtendes Leben“ von Pedro Gunnlaugur Garcia ist bei Hoffmann und Campe erschienen. Übersetzung aus dem Isländischen von Tina Flecken. ISBN 78-3-455-01714-4