Karungi (Schweden). Das umfassende Unrecht, das an den Samen begangen wurde, ist inzwischen gut dokumentiert und anerkannt. Von Assimilierungspolitik und rassenbiologisch motivierten Schädelmessungen war auch die finnischsprachige Minderheit in Nordschweden betroffen. Dafür hat sich nun die schwedische Kireche entschuldigt und Kultusministerin Parisa Liljestrand erkannte die Verantwortung des Staates an. Darüber berichtete auch SVT.
Im Norden Schwedens werden viele Sprachen gesprochen. Die Trennung zwischen Schweden und Finnland 1809 fand nicht genau entlang der Sprachgrenze statt. Auch westlich des Torneflusses, bis zu den Bergbaustädten Kiruna und Gällivare, wird noch viel Finnisch oder eine vom Schwedischen beeinflusste Variante des Finnischen gesprochen. Diese Variante, auch bekannt als Tornetalfinnisch, heißt heute offiziell Meänkieli („meine Sprache“). Staat und Kirche sahen diese Sprache in der Vergangenheit jedoch, ebenso wie Samisch, als minderwertig an. Es sollte Schwedisch gesprochen werden und nichts anderes.
Internate dienten der Assimilierung der Finnischsprachigen
Die schwedische Kirche unterhielt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Nordschweden sogenannte „arbetsstugor“ (wörtlich „Arbeitshütten“), eine Art Internat für Kinder, die es zu weit zur Schule hatten oder in schweren ökonomischen Verhältnissen lebten. Insgesamt gab es 21 davon in ganz Norrbotten. Diese wurden auch als ein Instrument der „Schwedisierung“ verwendet – die Kinder durften ihre finnische Muttersprache nicht sprechen, sonst konnte es Schläge geben. Insgesamt waren von 1903 bis 1954 rund 5500 Kinder in diesen für ihren harten Umgang berüchtigten Internaten platziert. Die Assimilierungspolitik führte dazu, dass viele Eltern mit ihren Kindern lieber nur Schwedisch sprachen, damit diese keine Nachteile bekamen, und manche nahmen sogar einen schwedischklingenden Nachnamen an. So kam es zu einem sprachlichen Bruch zwischen den Generationen.
Die Diskriminierung gegenüber den Finnischprachigen beschränkte sich nicht auf die Sprache: Berichtet wird unter anderem von Schädelmessungen an diesen Kindern entsprechend der rassenbiologischen Ideologie.
Kväänit, Tornionlaaksolaiset, Lantalaiset
Für die finnischsprachigen Minderheiten gibt drei unterschiedliche Bezeichnungen:
- Kväänit (schwedisch kväner, norwegisch kvener): Finnischsprachige Urbevölkerung in Finnland, Nordschweden und Nordnorwegen, die von etwas Landwirtschaft, Rentierhaltung, Jagd, Fischerei und Handwerk lebten. Auch ein Teil der Nachkommen nennt sich heute so.
- Tornionlaaksolaiset (schwedisch tornedalingar): Leute aus dem Tornetal (Tornionlaakso). Dort entstand auch in den 1980er Jahren die Bewegung, die damals Tornetalfinnisch genannte Sprache zu erhalten.
- Lantalaiset: Heute hauptsächlich gebraucht für diejenigen und von denjenigen, die Meänkieli sprechen, aber nicht am Tornefluss leben (wörtliche Übersetzung ungefähr „Leute, die auf dem Land leben“). (Quellen: SVT, STR-T, Lantto)
Wahrheits- und Versöhnungskommission 2020-2023
Im Jahr 2020 wurde eine Wahrheits- und Versöhnungskommission eingerichtet, die sich speziell dem Unrecht an den finnischsprachigen Minderheiten widmen sollte. 166 Personen berichteten gegenüber der Kommission von ihren Erfahrungen. Ende 2023 wurde der Abschlussbericht an Kirche und Staat übergeben.
Aufarbeitung in der schwedischen Kirche
Die schwedische Kirche hat nach den Ergebnissen der Wahrheits- und Versöhnungskommission eine Aufarbeitung begonnen. Gemeinsam mit dem Verbund der schwedischen Tornedalsfinnen ( Svenska Tornedalingars Riksförbund- Tornionlaaksolaiset) wurden diesen Herbst vier Veranstaltungen als Schritte zur Versöhnung abgehalten – in Karesuando, Kihlangi, Tärendö und zuletzt in Karungi. Dabei waren diejenigen, die damals in den Internaten platziert waren, besonders eingeladen, und es wurde auch ein Brief von Erzbischof Martin Modéus och Bischöfin Åsa Nyström verlesen, in denen diese um Entschuldigung für das Unrecht bitten. Ein weitere Gottesdienst dazu ist im Frühjahr 2026 in der Domkirche in Luleå geplant.
Abschlussveranstaltung mit Kultusministerin
Zur Abschlussveranstaltung in Karungi kam neben Erzbischof und Bischöfin auch Kultusministerin Parisa Liljestrand (Moderate) und sprach zwar noch keine Entschuldigung aus, erkannte aber explizit die Verantwortung des Staates für die Assimilierungspolitik an. Sie betonte außerdem, die Sprache und Kultur der Tornetalsbewohner, Kvänen und Lantalaiset hätten „einen selbstverständlichen Platz in unserem Land.“
Frühere Artikel zum Thema:
- Finnisch? Nein, Meänkieli – die Sprache des Tornedalen
- Für Rassenbiologie geraubte Schädel zurückgegeben
- Sprachen im europäischen Norden